Wer nach Island reist, dem wird eine besondere und einmalige Gelegenheit zuteil: Nirgendwo sonst kann man nämlich beliebig oft zwischen der Nordamerikanischen und der Eurasischen Kontinentalplatte hin und her hüpfen. Wo sich diese beiden Platten aus unserer Sicht berühren, driften sie streng genommen auseinander und sorgten so über Jahrtausende für das heutige Aussehen dieser beeindruckenden Insel.
Mit dem Wohnmobil Island entdecken
Den Startschuss unserer Reise durch das Land aus Feuer und Eis machen wir in Reykjavik, besser gesagt im nahe gelegenen Kevlavík, wo wir das 4WD Wohnmobil übernehmen, das für die nächsten Wochen unser Heim sein wird. War es erst noch verwunderlich, dass der Autovermieter Anfang August die Standheizung ganz besonders betont hat, wissen wir diese schon nach einigen Tagen zu schätzen. Ihre Bezeichnung als „Insel aus Feuer und Eis“ verdankt die Insel den aktiven Vulkanen und den zahlreichen Gletschern.
Ganz besonders Naturliebhaber kommen beim isländischen Angebot an Einzigartigkeiten auf ihre Kosten: heiße Quellen und Geysire, imposante Wasserfälle, spektakuläre Schluchten, endlose Wüsten aus schwarzer Lava und Bimsstein wie auch unsichtbare, aber allgegenwärtige Elfen. Die Blaue Lagune, das Thermalfreibad und weitere Touristenattraktionen nahe der Hauptstadt Reykjavík lassen wir links liegen und stürzen uns sofort durch die sattgrüne und moosüberzogene Lavalandschaft.
Erster Stop: Skógafoss, ein spektakulärer Wasserfall, der über eine Breite von 25 m ganze 60 m in die Tiefe stürzt. Weiter im Süden der Insel, etwa 6 km westlich von Vik, erreichen wir auf einer teilweise unbefestigten Piste die etwa 115 m hoch aufragende Halbinsel Dyrhólaey (Türlochinsel). Hier befindet sich einer der bekannten Vogelfelsen Islands, wo wir gemeinsam mit einer großen Kolonie von Papageientauchern und Seeschwalben die atemberaubende Aussicht genießen.
Islands heiße Quellen und gefährliche Pisten
Landmannalaugar ist unser nächstes Ziel im Süden der Insel. Dieses Gebiet besticht mit seinen heißen Quellen und ist aufgrund der unbefestigten Pisten und der Flussdurchfahrten nur im Sommer erreichbar. Die Anreise mit dem Mietwagen sollte man sich gut überlegen, denn auf dem Hochland erlischt der Versicherungsschutz im Falle einer Panne oder eines Unfalls. Die Straße führt erst durch mystische schwarze Lavalandschaften und dann wieder durch sattgrüne, moosbewachsene und mit Wollgras übersäten Wiesenlandschaften. Zudem gibt es aufgrund der unterschiedlichen Gesteinsschichten ein Farbenspiel der Sonderklasse: Das Ryolithgestein erscheint rotbraun, daneben gibt es graublau gefärbte und sämtliche gelb-orange-ocker Farbtöne nebeneinander. Den besten Ausblick hat man vom Bláhnjúkur, von welchem man das riesige Lavafeld überschaut, das kurz vor dem Campingplatz zum Stillstand gekommen ist.
Aber auch für Wasserliebhaber gibt es hier eine Besonderheit: Dort wo sich heiße Quellen aus dem Bergland mit dem kalten Wasser der knietiefen Bäche vermischen, kann man die Wassertemperatur frei auswählen und entspannt baden.
See Jökulsárlónl – ein Eldorado für Fotografen
In weiterer Folge passieren wir einige idyllisch gelegene Gehöfte mit teils noch alten Grassodenhäusern aus vergangenen Zeiten, wo Reiter Herden von Islandpferden (von denen es etwa 80.000 in Island gibt) zur Tränke treiben. Der See Jökulsárlónl liegt am Südrand des aktiven Vulkans Vatnajökull und ist der tiefste See Islands. Die auf ihm treibenden Eisberge können eine Höhe von bis zu 15 m erreichen und sind mal weiß, mal tiefblau und zwischendurch auch einmal mit schwarzen Bereichen bedeckt, die von der Asche der Vulkanausbrüche stammen. Dieser See ist – wie die meisten Landschaften in Island – ein Eldorado für Fotografen. Sogar für einen James Bond Film diente dieses eindrucksvolle Gelände als Kulisse.
Nun geht es weiter in das Thermalgebiet des Mývatn (Mückensee) im Nordosten der Insel, welcher sich etwa 50 km südöstlich von Húsavík befindet und im Bereich des Krafla-Vulkansystems liegt. Ein faszinierendes Schauspiel mit Schlamm- und Dampfquellen, fauchenden Spalten, kochenden Heißwasserbecken, Kraterseen und schwarzen Lavafelder erwartet uns hier. In der Nähe besuchen wir auch den Leirhnjúkur, einen aktiven Vulkan, der auf einer vulkanischen Spalte sitzt. 1975 begann hier eine Ausbruchsserie im Krafla-System, die sogenannten Krafla-Feuer, die mit Unterbrechungen bis 1984 anhielten. Wandert man heute durch dieses Gebiet, kommt man sich wahrlich wie in der Hölle vor: tiefschwarze Lavafelder soweit man sieht, überall raucht, pfaucht und dampft es und es riecht penetrant nach Schwefel.
Auf den Vulkan Askja
Die Anreise zum Vulkan Askja ist ein wahres Abenteuer. Ohne 4WD geht hier nichts mehr. Es folgt die Durchquerung der etwa 5.000 km2 großen Ódáðahraun (Wüste der Missetäter), einer wahrlich furchterregenden Einöde aus schwarzem Lavasand und -gestein. Später, in der Nähe des Dyngiufjöll-Massivs, ändert sich die Farbe: eine helle Bimssteinwüste mit zahlreichen dunklen Lavasteinen ziert die Landschaft.
Insbesondere unser Abstecher zu Askja ist spektakulär: Man kann auf einer steilen Piste mit dem 4WD durch den schwarzen Lavastrom bis zu den Eruptionskratern hinauffahren. Von hier geht es dann eine halbe Stunde zu Fuß zum Explosionskrater Viti mit seinem milchig-blauen, etwa 24 °C warmen Wasser. Der Viti-Krater entstand erst 1875 bei einer gewaltigen Eruption der Askja. Der dahinter liegende Öskjuvatn ist durch Absenkung der Magmakammer entstanden und ist heute etwa 11 km2 groß und 220 m tief. Erst 1961 erfolgte der letzte Ausbruch der Askja.
Weiter über die Oase Herðubreiðarlindir am Fuße des 1.680 m hohen Herðubreið, der die auffällige Form eines Tafelvulkans aufweist, fahren wir nun den Jökulsá á Fjöllum (der Gletscherfluss aus den Bergen) entlang, der die Gletscher des Vatnjajökull nach Norden hin entwässert. Die erste Fallstufe erreicht der Fluss beim Selfoss Wasserfall, wo er über eine zwölf Meter hohe Stufe in eine Schlucht stürzt. Kurz darauf stürzt der Fluss auf einer Breite von 100 m über 40 m am Dettifoss (Stürzenden Wasserfall) in die Tiefe. Dieser ist ein spektakulärer Wasserfall, der im Sommer etwa 1.500 m3 Wasser pro Sekunde und damit auch 120.000 t Sand, Geröll und Schlamm mit sich transportiert.
Islands Beginn ist das Ende der Reise
Nach einem Aufenthalt im lieblichen Hafenstädtchen Akureyri bringt uns unsere Reise über die Küstenstraße wieder zum Gulfoss-Wasserfall im Süden der Insel. Dieser fließt über zwei Stufen, die im rechten Winkel zueinander stehen, insgesamt etwa 30 m in die Tiefe. Der in allen Farben schillernde Regenbogen entschädigt die Nässe des Sprühregens auf Haut und Kleidung. Anschließend wartet in Þingvellir eine der historisch attraktivsten Stätten Islands auf uns. Die übersetzt „Ebene der Volksversammlung“ genannte Stadt liegt genau in einer etwa 120 km langen Vulkan- und Grabenzone, die ihrerseits Teil der Bruchlinien an der Grenze zwischen amerikanischer und eurasischer Kontinentalplatte ist. Die Schlucht Almannagjá (Allmännerschlucht) ist aufgrund der jährlichen Versammlung „Althing“ Begründer der isländischen Geschichte. Hier, wo einst die Geschichte begann, muss unsere Reise allerdings enden.
Island im Rahmen einer einzigen Reise wirklich gänzlich zu erleben ist kaum möglich. Das wird uns beim Flug von Vik aus auch nochmals ins Gedächtnis gerufen, denn hier kann man Island nochmals aus der Vogelperspektive erleben und das gewaltige Ausmaß dieser Urlandschaft bewundern. Riesige, teils mit Asche bedeckte Gletscher, herausragende Vulkane, türkisfarbene Kraterseen, moosbewachsene Urstromtäler und mächtige Lavalandschaften in tiefem Schwarz kontrastieren mit den intensiven bunten Bergen von Landmannalaugar und machen uns darauf aufmerksam, dass wir ein weiteres Mal hierher zurückkommen müssen.