Wildwasser mitten in der Großstadt

Ein Artikel von Monika Stradner | 17.09.2024 - 15:13
wienfluss_herbst_shutterstock_1300274944.jpg

Wenn man im Stadtpark spaziert, hat man den Wienfluss stets im Blick © Kiev.Victor/Shutterstock

Die Wien, oder auch der Wienfluss, entspringt am Fuß des Kaiserbrunnbergs im Wienerwald, durchquert von Westen kommend die Bundeshauptstadt und mündet unweit der Aspernbrücke an der Urania (Schwedenplatz) in den Donaukanal.

Obwohl die Hälfte der 34 km Flusslänge im Wiener Stadtgebiet liegen, gilt der Fluss durch seinen alpinen Charakter als Wildwasser. Entlang der Strecke münden zahlreiche Bäche, u. a. der Grünauer und der Lainzer Bach, in den Flusslauf. Die meiste Zeit des Jahres führt er mit 200 l pro Sekunde nur sehr wenig Wasser, was sich nach starken Regenfällen oder zur Zeit der Schneeschmelze allerdings massiv ändern kann. Die Wassermenge kann dabei bis zu 2.000 Mal größer sein als im normalen Zustand.

Bekannt ist die Wien bereits aus der Zeit der Antike, schon die Römer mussten sich dort mit Überschwemmungen beschäftigen. Im 18. Jh. wurde erstmals mit der Regulierung des Wienflusses begonnen, denn mit der zunehmenden Verbauung der Flussauen stieg auch das Risiko für Überflutungen an. Nicht nur Hoch-, auch Niedrigwasser konnte eine Herausforderung sein: Anfang des 19. Jh. mussten die Mühlen an der Wien monatelang still stehen.

Neben den Mühlen hatte die Wien auch wirtschaftliche Bedeutung für die Fischerei, außerdem arbeiteten auch die Wäscher, Färber und Textildrucker direkt am oder im Fluss. Damals nutzten zahlreiche Gewerbe die Wien außerdem für die Ableitung ihrer Abwässer.

Etwa bis zu Mitte des 19. Jh. gab es noch ein breites Flussbett mit Sand- und Schotterinseln. Eine Regulierung wurde damals im Zuge des Baus der Westbahn durchgeführt. Zu Beginn des 20. Jh. wurde die Wien schließlich durch ein groß dimensioniertes und betoniertes Flussbett umfassend reguliert und Hochwasserrückhaltebecken gebaut. Danach konnte man im Flussbett baden, im Jahr 1917 wurde das erste Kinderfreibad der Stadt Wien in einem Hochwasserrückhaltebecken eröffnet.

Wichtiger Nutzen – damals wie heute

wienfluss_u4_shutterstock_1733626208.jpg

Der Wienfluss unweit der Kennedybrücke in Hietzing: Ein Radweg führt entlang des üblicherweise sehr wenig Wasser führenden Kanals © Max Pelikan/Shutterstock

Zahlreiche Brücken führten einst über die Wien, die heute zu einem beträchtlichen Teil unterirdisch verläuft. Das ging mit dem Bau der Stadtbahn (heutige U-Bahn Linie U4) einher, deren Gleise parallel zum Wienfluss erbaut wurden. Die Gleise sind vom Flussbett durch eine Mauer getrennt.

Von den verbliebenen Fußgänger-, Straßen- und Bahnbrücken stehen heute einige unter Denkmalschutz. Sie prägen, wie der Wienfluss selbst, das Stadtbild. Wer mit dem Fahrrad von Westen kommt oder gerne im Stadtpark unterwegs ist, kennt den Wienfluss ganz bestimmt – oder hat ihn vielleicht als solchen noch gar nicht so richtig wahrgenommen.

Seine wichtigste Fähigkeit, die Stadt vor Hochwasser zu schützen, hat er über viele Jahrhunderte beibehalten – und muss er immer wieder beweisen: Wie etwa 2009, wo an der Kennedybrücke ein Anstieg des Wasserpegels über einen Meter in nur 10 Minuten gemessen wurde, und wie zuletzt im September 2024, als bei einem sogenannten 100-jährlichen Hochwasser die U-Bahn für mehrere Tage gesperrt werden musste.