Die Siedlungen Bethlehem in den USA, Gracehill in Großbritannien und Herrnhut in Deutschland sind im Juli in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden. Zusammen mit dem bereits 2015 ausgezeichneten Christiansfeld in Dänemark gehören die Bauten der evangelischen Glaubensgemeinschaft nun zum Erbe der Menschheit. Unsere Nachbarn zählen damit 53 Welterbestätten.
Architektonische Glanzleistung
Jede der vier Siedlungen zeichnet sich durch eine an den Bedürfnissen der Gemeinschaft orientierten Planung sowie eine schlichte Bauweise von herausragender handwerklicher Qualität aus, die trotz ihrer Verteilung über verschiedene Länder und Kontinente eine erstaunliche Einheitlichkeit aufweist. Ähnlich wie in einer Stadt findet man auch hier charakteristische Bauelemente vor. Beispielsweise gibt es einen quer ausgerichteten Saal, in dem wichtige Veranstaltungen oder Gottesdienste gefeiert werden. Dazu gehören auch ein Gemeinschaftsfriedhof sowie eigene Gebäude für bestimmte Gruppen, wie das Witwenhaus. Bis zur Mitte des 19. Jh. handelte es sich bei den Herrnhuter Brüdergemeinen um geschlossene Wohnsiedlungen, d.h. alle Bewohner der Kommune wurden als Schwestern und Brüder betrachtet, die ein strukturiertes und verbindliches Zusammenleben anstrebten. So spiegeln die vier Welterbestätten das Ideal eines geordneten christlichen Gemeinschaftslebens wider, das in den einzelnen Anlagen bis heute sichtbar ist. Was die Verwaltung betrifft, so organisiert jede Gemeinde ihre Angelegenheiten grundsätzlich autonom, auch wenn sie durch einen gemeinsamen Glauben und gemeinsame Werte miteinander verbunden sind.
Glaube und Alltag
In den Siedlungen wird der Glaube so betrachtet, als durchdringe er das gesamte Leben. Dies zeigt sich in einer starken Betonung auf Tugenden wie Einfachheit, Bescheidenheit und Nächstenliebe. Da die Gemeinschaft großen Wert auf Bildung und soziale Fürsorge legt, hat sie zahlreiche Schulen, Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen gegründet und betrieben, oft mit einem Fokus auf benachteiligte Gesellschaftsgruppen. Zudem spielt der Einsatz von Musik eine wichtige Rolle im Alltag der Mitglieder. Die Gemeinschaft ist bekannt für ihren reichhaltigen Schatz an Kirchenliedern und Chorgesängen, die im Rahmen von Gottesdiensten und anderen Gemeinschaftsveranstaltungen gepflegt werden.
Gründungsort
Die sächsische Kleinstadt Herrnhut gilt als Gründungsort der Herrnhuter Brüdergemeine. Hier fanden 1722 Glaubensflüchtlinge unter der Leitung von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf Zuflucht. Aufgrund der Entwicklung einer religiösen Gemeinschaft und der missionarischen Tätigkeit wird Herrnhut als die Ursprungssiedlung angesehen. Im Zentrum der Diskussion um die transnationalen „Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine“ steht die Idee der grenzüberschreitenden Verbundenheit. Keine der vier Welterbestätten steht für sich allein, sondern ist Teil eines größeren Zusammenspiels.